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Rinerhorn, Marchhüreli und Überschreitung des Leidbachhorns von Nord nach SüdHeute ist der erste Tag unseres Bünder Generalabos. Mit diesem Abo kann man Bahn und Bus in ganz Graubünden uneingeschränkt nutzen und das im Monat Juli für nur 115 CHF. Günstiger lässt sich der Kanton eigentlich nicht entdecken. Allzu weit wagen wir uns am ersten Tag aber noch nicht von Schmitten weg, wir fahren mit dem Postbus „nur“ bis Davos-Frauenkirch. Von dort aus wollen wir aufs Rinerhorn, aufs Marchhüreli und eventuell auf das Leibachhorn. Von der Bushaltestelle „Davos-Frauenkrich“ aus, die wir nach 25-minütiger Fahrzeit erreichen, müssen wir 400 Meter die Hauptstraße entlang marschieren. An der Abzweigung nach Sertig geht es allerdings schon auf fußfreundlicherem Untergrund weiter: Ein Wanderwegweiser zeigt nach rechts und wir können auf einem Wanderweg weiterlaufen. Der erste Teil des Aufstiegs führt wunderbar schattig und mäßig steil ansteigend durch den Junkerbodenwald und den Würzewald. Dieser Weg hinauf zum Rinerhorn ist meines Erachtens deutlich schöner als der Weg von der Talstation der Rinerhornbahn aus. Später wird der Weg zwar deutlich steiler, liegt aber immer noch im angenehmen Bereich. Bei Äbirügg müssen wir den schützenden Wald verlassen, aber über die freie Fläche weht ein kühler Wind, so dass wir auch beim weiteren Aufstieg nicht ins Schwitzen kommen. Hier können wir den den freien Blick auf das Jakobshorn genießen: Da werden Erinnerungen wach! Bei Äbirügg begegnen wir zudem zahlreichen Wanderern, die von der Rinerhornbahn her kommend hinunter ins Sertigtal absteigen wollen. Der Weg hinauf zum Rinerhorn ist hingegen menschenleer: Zwei Stunden nach Beginn der Tour erreichen wir den 2527 Meter hohen Gipfel des Rinerhorns. Von dort aus geht es auf einem markierten Bergweg weiter zum Marchhüreli: Der Blick zurück vom Marchhüreli aufs Rinerhorn, Davos und den Gipfel der Weissfluh: Bis zum Marchhüreli bin ich mit Trailrunningschuhen unterwegs, aber da wir den Aufstieg zum Leidbachhorn wagen wollen, wechsle ich hier die Schuhe. Zu Beginn geht es noch recht gemütlich über den sanft ansteigenden Grat: Der Blick zurück aufs Marchhüreli: Aber schon bald türmen sich die ersten Gratköpfe vor uns auf. Manfred Hunziker schreibt im SAC-Führer Bündner Alpen 6 „Vom Septimer zum Flüela“ dazu:
Die Schwierigkeit des Aufstiegs über den Nordgrat wird mit „WS“ angegeben:
Nun ja, wenn es heißt, dass alle Gratköpfe überstiegen werden, dann ist die Routenwahl schon leicht. Allerdings wissen wir von anderen Begehungen, dass man sich auf die Beschreibungen nicht immer verlassen kann. So können zum Beispiel Felsabbrüche zu ganz neuen, unerwarteten Situationen führen. Das mussten wir zum Beispiel am Kleinen Widderstein erleben. Daher ist das Überklettern eines jeden Gratkopfes für uns ein nervenkitzelndes Abenteuer mit teilweise schwindelerregenden Tiefblicken. Zum Foto greife ich allerdings nur, wenn es mal gerade nicht so spannend ist. Schritt für Schritt hangeln wir uns den Grat entlang: Ab und zu stehen wir auch auf sicherem Boden, allerdings nie für lange, dann türmt sich der nächste Gratkopf vor uns auf: Die heikelste Stelle vor dem Plattenaufschwung ist sicherlich ein schmaler Gratabschnitt, den wir „reitend“ überqueren. Schließlich stehen wir vor dem Plattenaufschwung: Eines ist an dieser Stelle für mich klar: Zurück will ich auf keinen Fall, wenn wir hier nicht hinaufkommen, lasse ich mich vom Hubschrauber abholen! Aber wir kommen hinauf, der Hubschrauber kommt also nicht zum Einsatz: Ursprünglich hatten wir die Hoffnung, dass nach dem Überwinden dieser Stelle der restliche Grat leichter zu bewältigen sei, aber da irren wir gewaltig. Auch der Anblick des nächsten Gratkopfes lässt keine wirklich Erleichterung aufkommen: Aber irgendwie finden wir auch hier hinauf: Und natürlich auch wieder hinunter. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir tatsächlich den Gipfel: Wie zu sehen ist, nicht ganz unverletzt, zumindest ich: Beim Überklettern einer der zahlreichen Felsköpfe löst sich Stein und schlägt an mein linkes Schienbein. Nur gut, dass meine Blutgerinnung intakt ist! Auf dem obigen Bild ist auch der Kasten mit dem Gipfelbuch zu sehen: Das Gipfelbuch stammt aus dem Jahr 1977, dieses Jahr verzeichnet es erst zwei Einträge. Das wilde, schroffe Leidbachhorn ist, wie wir jetzt wissen, wirklich kein besonders einladender Gipfel. Nach einer kurzen Gipfelrast wagen wir uns an den Abstieg über den Südgrat. Dieser soll leichter zu begehen sein als der Nordgrat und in der Tat, das ist er meines Empfindens nach auch. Nichtsdestotrotz darf man sich keine Fehler erlauben: Gratköpfe sind auch hier zu überwinden: Aber schließlich ist es geschafft, nach Abrutschen über ein Geröllfeld stehen wir im weitläufigen und „sicheren“ Tal zwischen Geissweiden- und Nüllischgrat: Bodmen nennt sich dieses Gebiet, dessen Durchquerung nach der Kraxelei über den Grat das reinste Kinderspiel ist. Je weiter wir abstiegen, desto grüner wird das Tal: Und noch ein Stück weiter unten gesellen sich zum Grün die leuchtenden Blüten unzähliger Alpenrosen: An einem Gebirgsbach gönne ich meinen Füßen ein erfrischendes Bad und tausche meine Bergschuhe gegen die Trailrunningschuhe aus: Mit flotten Schritten geht es anschließend hinunter zur Talstation der Rinerhornbahn. Hier ist die Tour für uns zu Ende und wir können die erfolgreiche Überschreitung des Leidbachhorns feiern. Mit Pausen sind wir sechs Stunden und vierzig Minuten unterwegs, eine Stunde schneller als der Tourenplaner für die Strecke angibt: Zurück nach Schmitten bringt uns der Postbus. Fazit der Tour: Die Überschreitung des Leidbachhorns ist sicherlich eine unserer abenteuerlichsten Touren und übertrifft die Überschreitung der Hammerspitzen oder die Besteigung des Piz Neir bei Weitem. Die Kletterei überschreitet zwar nie den II. Grad, ist aber lang sowie teilweise ausgesetzt und treibt daher den Adrenalinspiegel ziemlich nach oben. Wer es etwas weniger aufregend mag, dem sei die Besteigung über den Südgrat oder durch das Sertigtal empfohlen, diesen beiden Routen sind deutlich leichter. Ebenfalls vielleicht wichtig: Eine Überschreitung in umgekehrter Richtung ist wenig empfehlenswert, da die schwierigsten Passagen entlang des Nordgrats liegen. Zurück zu Hause absolviere ich zur Beruhigung meines Gemüts nach einer warmen Dusche eine einstündige Yoga-Einheit. Allerdings habe ich nicht das Gefühl, als ob diese Stunde ausreichen würde, um innerlich zur Ruhe zu kommen. Wahrscheinlich liegt wie nach der Besteigung des Spitzig Gretlis eine unruhige Nacht vor mir. PS: Ich absolviere die Tour mit leerem Magen, erst am Abend stärke ich mich mit Fleisch und Fett vom Lamm:
PPS: Leben im Hier und Jetzt und das zu 100 Prozent. Das gelingt nirgends besser als während einer Bergtour. PPPS: Das Video zur Tour: PPPPS: Guidos Tourenbericht, einschließlich einer interaktiven Karte: Überschreitung Rinerhorn → Leidbachhorn.
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Diese Seite wurde zuletzt am 14. Februar 2024 um 18.12 Uhr GMT geändert. |