Bergtour aufs Tinzenhorn, dem Matterhorn Graubündens

geschrieben von Susanne am 5. September 2023 um 22.11 Uhr
Kategorie: Bergtouren, Ernährung
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Dreieinhalb Stunden Schlaf, zwei Stunden von zehn bis um zwölf, eineinhalb Stunden von halb zwei bis um drei, mehr kommt in dieser Nacht nicht zusammen. Eigentlich hätte es gereicht, um kurz vor vier Uhr aufzustehen, aber was will man machen, wenn man vor Aufregung (oder was auch immer) nicht schlafen kann? Guido ist ebenfalls schon um kurz nach drei Uhr wach, so dass wir uns gegenseitig trösten können: Einen Tag, ohne richtig ausgeruht zu sein, werden wir schon überleben! Bei mir kommt halt noch das Drama mit der Gürtelrose dazu, aber die verhält sich am frühen Morgen still. Ich bleibe also bei meinem Plan, zumindest von Pradatsch bis zur Ela-Hütte mitzugehen, das sind gerade einmal 1,5 Kilometer und 250 Höhenmeter. Wenn ich dort merke, dass ich nicht fit genug bin, um weiterzugehen, warte ich hier auf die Rückkehr der Männer. Insgesamt sind wir zu viert, Jan, der Bergführer, Andreas, ein Nachbar sowie Guido und ich.

Um halb vier treffen Andreas, Guido und ich uns mit Jan vor dem Dorfladen. Von dort aus geht es mit Jans Auto über Filisur zu den auf rund 2000 Höhenmetern gelegenen Hütten von Pradatsch, die man über einen bewilligungspflichtigen Fahrweg erreichen kann. Um 5.15 Uhr beginnt die eigentliche Tour und wir laufen ausgerüstet mit Stirnlampen hinauf zu Ela-Hütte. Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr ich es genieße, durch die sternenklare Nacht zu laufen. :stern: An der Ela-Hütte machen wir eine kurze Trinkpause und laufen dann weiter über den zum Orgelpass führenden Wanderweg. Zu diesem Zeitpunkt verschwende ich keinen einzigen Gedanken mehr daran, zurückzubleiben. Es ist einfach zu schön, am frühen Morgen in den Bergen zusammen mit Weggefährten, die alle auf einer Wellenlänge schwingen, unterwegs zu sein: :herz:

Dem Wanderweg folgen wir eineinhalb Kilometer bis auf 2450 Höhenmeter, dann geht es geführt von Jan weglos weiter:

Hier strahlt das Tinzenhorn im Licht der Morgensonne über uns:

Und wir strahlen mit dem Tinzenhorn um die Wette:

Noch sind wir nicht angeseilt, das Gelände ist zwar steil, aber gut zu begehen:

Dann aber macht Jan Halt und gibt die Anweisung Helm und Klettergurt zu montieren. Mittlerweile steht die Sonne schon hoch am Himmel und ich nutze die Gelegenheit, mich außerdem von meiner Jacke zu befreien. Jan vorne weg, ich dahinter, hinter mir Guido und zum Schluss Andreas, so geht es weiter über Geröll und Schrofen im Zickzack-Kurs den Berg hinauf:

Schließlich erreichen wir den sogenannten Frühstücksplatz, eine auf 300 Metern gelegene Platte, die unter dem markanten Felsaufschwung des Nordostgrats liegt. Hier legen wir eine kurze Rast ein:

Und genießen die Aussicht. :sonne: Direkt vor unserer Nase liegt der Piz Ela:

Hier ist im Vordergrund der breite Rasenrücken des Chavagl Grond zu sehen:

Vom Frühstücksplatz aus geht es zu Beginn noch recht gemütlich auf einem Geröllband an der Felswand entlang. Mittlerweile sind wir allerdings nicht mehr alle in einer Reihe angeseilt: Jan als Führer ist in der Mitte, ich an einem Ende des Seils und Guido und Andreas am anderen Ende. Hier liegt die erste, richtige Kletterpassage vor Andreas, Guido und mir:

Während Andreas, Guido und ich geschützt vor Steinschlag warten, klettert Jan den ersten von drei Risskaminen hinauf. Ich darf von Jan gesichert, es gibt auf der Strecke zum Gipfel mehrere Haken, an denen sehr gut gesichert werden kann, als erste hinterher. Gut, dass ein bisschen etwas vom Klettern in der Halle hängen geblieben ist, sonst wäre ich hier weitaus mühsamer hoch gekommen! Andreas und Guido haben es etwas schwerer als ich, da sie sich im Team nach oben arbeiten müssen. Die weiteren Kletterstellen sind weitaus einfacher, so dass Guido, Andreas und ich gesichert durch Jan direkt hintereinander hochklettern können:

Trotzdem kommen wir natürlich deutlich langsamer voran, als zu zweit, bzw. allein mit einem Bergführer. Aber die Stimmung im Team ist super gut. :daumen: Davon abgesehen, bleibt so viel Zeit zum Genießen. Strahlende Gesichter:

Die nächste Kletterei:

Kurz unterhalb des Gipfels queren wir in die Nordwand, anschließend geht es durch eine Verschneidung zurück auf den Gipfelgrat. Und um zehn Uhr ist es dann so weit, wir stehen auf dem 3173 Meter hohen Gipfel des Tinzenhorns. :feier: Das erste, was wir hier machen: Wir holen unsere dicken Jacken aus dem Rucksack, denn es ist recht windig und frisch hier oben. Dann erst geht es ans Genießen des Panoramas, die Fernsicht ist mehr als genial heute, und ans Fotografieren. Gipfelglück zu viert:

Andreas hat eine Drohne dabei und Guido filmt die Tour, daher erspare ich mir an dieser Stelle Bilder vom Panorama. Allerdings kann es noch dauern, bis das Video fertig ist. Wer mag, kann sich derweil gerne bei Wikipedia das 360° Grad Panorama anschauen: Tinzenhorn. Laut Jan kann lassen sich rund 1900 Gipfel von hier aus ausmachen. So sind Richtung Norden unter anderem Säntis, Schesaplana, Zimba und Sulzfluh zu erkennen, Richtung Osten sieht man auf Piz Kesch und Piz Ela, im Südosten liegt das Berninamassiv mit Piz Bernina und Piz Palü, um Süden Piz Julier, im Südwesten Piz Forbesch sowie Piz Arblatsch. Richtung Westen blickt man bis zu den Berner Alpen mit Finsteraarhorn und Schreckhorn, im Nordwesten liegt der Tödi, um nur einige der zahlreichen Gipfel um ums herum zu nennen. Das Panorama ist mehr als beeindruckend, vor allem, wenn man wie wir solch ein Glück mit dem Wetter hat. :sonne:

Irgendwann ist es dann Zeit für den Abstieg. Jan sichert dieses Mal von hinten bzw. von oben, während Andreas zusammen mit Guido vorangeht bzw. klettert. Wenn die beiden sicher stehen, folge ich:

Und Jan klettert zum Schluss ungesichert hinterher. Man merkt, dass er hier schon als Kind herumgeklettert ist! Hier warten Andreas, Guido und ich in der Nordostwand auf Jan:

Abstieg durch einen der drei Risskamine:

Während Guido und Andreas hinunter klettern, lasse ich mich zwischendurch gerne von Jan abseilen:

Auch beim Abstieg strahlen wir um die Wette:

Schließlich kommen wir an die Stelle, an der wir Klettergurt, Helm und Seil montiert haben und befreien uns wieder von diesen Ausrüstungsgegenständen. Statt wie beim Aufstieg den Bot Radond auf dem Wanderweg zu umrunden, steigen wir beim Abstieg direkt über Geröll ab:

An der Ela-Hütte legen wir eine längere Rast ein:

Ich wechsle nach einem kühlen Fußbad im Wasser des Brunnens meine Schuhe. Meine Füße sind sehr dankbar, dass sie in den Trailrunning-Schuhen weiterlaufen können! Sehr gemächlich kehren wir zum Auto zurück und Jan bringt uns Andreas, Guido und mich zurück nach Schmitten. Die Tour ist zu Ende, aber die wunderschöne Erinnerung daran wird uns unser Leben lang begleiten. :herz: Danke Jan, für deine tolle Führung und danke Guido, dass du es nicht zugelassen hast, dass ich zu Hause bleibe. 🙏🏻

PS: Hier ist ein Link auf Jans Seite: Es kann ja sein, dass der ein oder andere Leser dieses Eintrags die Tour nachgehen will: :smile: Jan Caspar, Bergsteigen und Gleitschirmfliegen.

PPS: Wie der Rest des Tages verläuft, darüber berichte ich in einem separaten Eintrag.

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Diese Seite wurde zuletzt am 11. September 2023 um 8.07 Uhr GMT geändert.