Der erste Bärlauch

geschrieben von Susanne am 12. März 2016 um 23.52 Uhr
Kategorie: Ernährung, Wie ich zur Rohkost kam
(4) Kommentare
   
   
   

Gut eine Stunde nach dem Ende der letzten Mahlzeit des gestrigen Tages aß ich erneut etwas. Die Mahlzeit begann um 0.26 Uhr, endete um 0.58 Uhr und bestand aus einer Mango von 412 Gramm, zwei Kakis „Vanille“ von 747 Gramm und einer Bio-Banane von 111 Gramm. Danach schaute ich mir einen einstündigen Vortrag über Vitamin D auf Youtube an:

Der Vortrag war sehr unterhaltsam und informativ, allerdings war ich im Gegensatz zu Herrn Spitz nicht der Meinung, dass Sonnenbank bzw. Nahrungsergänzungsmittel ein gleichwertiger Ersatz für Sonnenlicht waren. Aber nach seinen Recherchen war es immer noch besser, diese beiden Alternativen zur Erhöhung des Vitamin D-Spiegels zu nutzen, als gar nichts zu machen. Nach dem Vortrag war ich immer noch nicht müde, so dass ich mich entschied, an der Geschichte meines Rohkost-Weges weiterzuschreiben:

Wie ich zur Rohkost kam – Teil 6

Der Neuanfang in Spanien stand anfangs unter einem guten Stern. So fanden wir ziemlich schnell ein schönes Zuhause in einer Gemeinde im Norden von Madrid. Es war ein Reihenmittelhaus in einer neu gebauten Anlage mit drei Schlafzimmern, jedes mit einem eigenen Bad, einem großen Spielzimmer im Dachgeschoss, einschließlich einer Terrasse, auf der man ungesehen Sonnenbaden konnte, einem Wohnzimmer mit Kamin und einem kleinen privaten Grundstück, von dem aus man in die Grünanlage der Gemeinschaft mit Schwimmbecken kam.

Nicht weit entfernt von unserem Wohnort lag die einzige Waldorfschule Spaniens, worüber ich sehr dankbar war, denn meinen ältesten Sohn, der nach spanischem Gesetz mit seinen fünf Jahren schon schulpflichtig war, auf eine normale spanische Schule schicken zu müssen, hätte mir nicht gefallen. Die Waldorfschule hatte eine Sonderregelung durchgesetzt, so dass er erst einmal zusammen mit seiner zwei Jahre jüngeren Schwester in den Kindergarten gehen konnte. Innerhalb kürzester Zeit sprachen die beiden fließend spanisch. Über den Kindergarten lernte ich zwei deutsche Frauen mit gleichaltrigen Kindern kennen, mit denen ich mich regelmäßig traf.

Aber auch der Kontakt zu Einheimischen kam nicht zu kurz, da ich mich am Vormittag, wenn die Kinder im Kindergarten waren, für einen Yoga-Kurs und einen Englisch-Kurs anmeldete. Außerdem erfüllte ich mir einen lang gehegten Wunsch und kaufte eine „echte“ spanische Gitarre und nahm Unterricht. Mein Mann war zufrieden mit seiner neuen Arbeit und so war auch unser Familienleben so harmonisch wie nie zuvor. Wir unternahmen fast jedes Wochenende zusammen mit den Kindern spannende Ausflüge in die Berge im Norden Madrids, die Sierra de Guadarrama. Das Wasser der Bäche war dort sauber und klar und wir badeten dort mehr als einmal abseits jeder Zivilisation in glasklaren Gebirgsbächen.

Die Ernährung der Kinder entsprach in etwa der vor unserer Übersiedlung nach Spanien: Viel rohes Obst und Gemüse, Mandelmus, gekochtes Getreide wie Hirse, aber über den Waldorfkindergarten auch andere Getreidesorten wie Gerste und Hafer sowie Brot. Die Ernährung meines Mannes sah ähnlich aus, ein großer, gemischter Salat zusammen mit Brot bildete meistens die Hauptmahlzeit. Ich dagegen versuchte mich weiter mit mehr oder weniger großem Erfolg an der veganen Rohkost. Meine liebste Ausnahme: Mais-Tortilla-Chips.

Sozusagen als Krönung unseres Familienglücks meldete sich nach einem Jahr erneut Nachwuchs an. Die Schwangerschaft verlief im Gegensatz zu den beiden ersten vollkommen problemlos. Ein Arzt sah mich nie, ein paar Wochen vor der Geburt suchte ich mir eine Hebamme, die mich dann die letzten Wochen betreute. Die Geburt verlief ebenso problemlos wie die Schwangerschaft. Die Eröffnungsphase war gerade lang genug, damit die Hebamme und mein Mann rechtzeitig zur Austreibungsphase bei mir sein konnten.

Die Hebamme hatte noch vorgeschlagen, zur Beschleunigung der Geburt ein warmes Bad zu nehmen, aber dazu kam es nicht mehr. Das Einlaufenlassen des Badewassers reichte zur Beschleunigung, das Kind, ein gesunder Junge, glitt vor der Badewanne in die Arme der Hebamme. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder hatte er keinerlei Probleme, sofort die Brust zu finden. Mein Mann übernahm die Aufgabe, die Nabelschnur zu durchtrennen und die Plazenta im Garten zu vergraben. Haut an Haut erholten mein Sohn und ich uns von den Strapazen der Geburt und am Nachmittag konnten die großen Geschwister ihr Brüderchen bewundern. Die ersten Wochen verliefen genau so problemlos wie Schwangerschaft und Geburt. Das Kind wurde voll gestillt und entwickelte sich prächtig. Bis zum Sommer.

Während eines Ferienaufenthalts auf Lanzarote wurde er auf einmal sehr viel ruhiger, lachte weniger und schlief viel. Ich war anfangs der Überzeugung, dass das an dem heißen Klima von Lanzarote lag, aber der träge Zustand hielt auch nach der Rückkehr in unser Heim an. Ich setzte mich deshalb mit dem mir vertrauten, klassischen Homöopathen in Deutschland in Verbindung und schilderte ihm die Symptome. Er empfahl mir daraufhin das Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny und meinte, dass das Kind vielleicht solch ein „Langsamer“ wäre. Um Genaueres sagen zu können, müsse er das Kind allerdings sehen. Nun, ich war durch dieses Gespräch erst einmal beruhigt und wollte ihm meinen Sohn beim nächsten Besuch in Deutschland vorstellen.

Aber im Laufe der nächsten Wochen schlief mein Sohn nicht nur viel. Wenn er wach war, war er sehr weinerlich, hatte Erkältungssymptome und was eigentlich noch beunruhigender war, er entwickelte sich motorisch nicht weiter. Aber irgendwie stand ich damals auf dem Schlauch und dachte, das Kind entgiftet halt. Mittlerweile konnte ich über so viel Dummheit nur weinen. Leider stand auch mein Mann der Situation recht hilflos gegenüber und wusste keinen Rat. Ein Arzt der Waldorfschule sah mich dann irgendwann zusammen mit meinem Sohn auf dem Arm und riet mir nach einem Blick auf ihn, eine Blutuntersuchung machen zu lassen. Das machte ich dann auch. Das Drama, das auf die Blutuntersuchung folgte, aufzuschreiben, erspare ich mir hier, denn ich veröffentlichte es schon vor einigen Jahren im Rohkost-Wiki: Bericht: Vitamin B12-Mangel bei Säuglingen durch vegane Rohkost der Mutter.

Als mein Sohn auf der Intensivstation zwischen Leben und Tod schwebte, schickte ich mehr als einmal einen Ruf gen Himmel: „Gott, warum nur hast du mir diesen Weg gezeigt, wenn er nichts taugt.“ Heute wusste ich, das Gott mir schon den richtigen Weg gezeigt hatte, ich ihn aber nicht sehen wollte. Oder aber damals nicht sehen konnte. Wie ich in meinem Bericht „Von der veganen zur instinktiven Rohkost“ schrieb, brach ich nach diesem Erlebnis für meine Kinder nicht nur das Experiment Rohkost, sondern auch das der veganen Ernährung ab. Für mich ging die Suche nach einer natürlichen, rohen Ernährungsform allerdings trotz dieser negativen Erfahrung weiter. Ich konnte nicht glauben, dass Gott mich so in die Irre führte. Es folgte ein jahrelanges Experimentieren mit Säften, Keimlingen, „Smoothies“ (der Begriff war damals allerdings noch unbekannt) und fermentierten Lebensmitteln, immer mit der Überzeugung, dass das mit der veganen Rohkost irgendwie hinzubekommen sein müsste.

PS: Hier geht die Geschichte weiter: Ein Festtagsessen.

:stern: :stern: :stern:

Das Schreiben meiner Geschichte machte mich auch nicht müde. Statt ins Bett zu gehen, bekam ich Lust, Feldsalat zu essen und vertilgte zwischen 5.14 und 5.22 Uhr 140 Gramm der grünen Blätter. Beim Kauen überlegte ich mir, was mich nicht zur Ruhe kommen ließ und kam darauf, dass es eine Wohnung war, die gestern Abend in einem Immobilien-Portal auftauchte. Der Feldsalat hatte aber Gott sei Dank eine sehr beruhigende Wirkung auf mein Gemüt. Kein Wunder, er gehörte ja auch zu den Baldriangewächsen. Nach der Mahlzeit verschwand ich nämlich endlich im Bett und versank recht schnell im Reich der Träume.

Um 9.10 Uhr stabd ich wieder auf und startete kurz darauf zu einer morgendlichen Einkaufsrunde. Die nächste Mahlzeit fand von 11.37 bis 12.21 Uhr statt und bestand aus 752 Gramm Pomelo, 394 Gramm Cherimoyas und 353 Gramm einer Kaki. 264 Gramm Cherry-Tomaten, 111 Gramm roter Spitzpaprika, 260 Gramm Avocados „Fuerte“ und 12 Gramm Bärlauch bildeten von 16.25 bis 16.58 Uhr eine weitere Mahlzeit. Den Bärlauch hatte ich am Vormittag beim Obst- und Gemüsehändler erstanden:

Teller_mit_Baerlauchblaettern

Die Avocados „Fuerte“ stammten aus einer Lieferung von Passion4Fruit. Die Avocados, die Orkos diese Woche geliefert hatte, entsorgte ich, da sie um den Kern herum faulten. Am Abend hatten Guido und ich ein nettes Zusammensein mit unserem Vermieter und seiner Lebensgefährtin. Als Einheimische hatten sie immer einiges zu berichten, was Außenstehenden wie uns verborgen blieb. 102 Gramm Knochenmark sowie 229 Gramm fettes Fleisch vom Rind und 8 Gramm Bärlauch bildeten zwischen 22.36 und 23.13 Uhr die letzte Mahlzeit des Tages. Anschließend ging es ans Kofferpacken, morgen geht es nämlich zurück nach Mertesdorf. Dort sind einige Dinge zu erledigen.

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Stefan
8 Jahre zuvor

Du hast am 1.2. in dem Eintrag Naturtraum Freibergsee geschrieben: Sie bestätigen meine Überzeugung, dass es kein Urlaub in den Tropen sein muss, um im Winter seinen Vitamin-D-Spiegel aufzubessern. Ein Urlaub im Gebirge tut es auch. Heute schreibst Du: … allerdings bin ich im Gegensatz zu Herrn Spitz nicht der Meinung, dass Sonnenbank bzw. Nahrungsergänzungsmittel ein gleichwertiger Ersatz für Sonnenlicht sind. Im Winter ist das Hochgebirge eine absolut lebensfeindliche Zone, in der keine Nahrung zu finden ist und in der man abseits befestigter und markierter Wege ständig mit einem Absturz oder einem Abgang mitsamt einer Lawine rechnen muß, in der… Weiterlesen »

Stefan
8 Jahre zuvor
Reply to  Susanne

Es kann sehr mühsam sein, alle heutigen Möglichkeiten darauf hin zu untersuchen, ob sie für einen taugen, weil es so viele gibt. Langfristige Folgen der Anwendung bestimmter Technik zeigen sich vielleicht erst in kommenden Generationen.

Mir ist deswegen die Überlegung, ob unsere Vorfahren (vermutlich) bestimmte Verfahren genutzt oder nicht genutzt haben, als Indikator dafür, ob ein Verfahren sinnvoll ist, wichtig.

Nach deiner Logik kann man auch kochen – so lange man keine nachteiligen Folgen bemerkt, und das tun die meisten Menschen einige Jahrzehnte lang nicht. Dann ist der Schaden aber bereits angerichtet.

Diese Seite wurde zuletzt am 27. Februar 2023 um 20.12 Uhr GMT geändert.